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Zusammenfassung: <jats:title>Zusammenfassung</jats:title> <jats:p> Die folgende Studie untersucht in einem interkulturellen Vergleich die Rolle von Schuldbekenntnissen in der spanischen und stalinistischen Inquisitionspraxis. Gemeinsamer Bezugspunkt dieser beiden Inquisitionssysteme war ihr Bemühen, die angeklagten Häretiker zu einem Schuldbekenntnis zu veranlassen. Das Schuldbekenntnis sollte den Häretiker moralisch diskreditieren. Die Öffentlichkeit des Bekenntnisses sicherte der orthodoxen Glaubensmacht nicht nur das Monopol auf die beanspruchte Weltauslegung, sondern zerstörte auch die innere Glaubenswirklichkeit des Häretikers, der das Geheimnis seiner inneren Glaubensüberzeugungen durch sein Schuldbekenntnis preiszugeben gezwungen wurde. Die öffentliche Bloßstellung und dauernde soziale und kulturelle Stigmatisierung häretischer Lehre und Praxis sollten überdies ihre weitere Verbreitung innerhalb der jeweiligen Glaubensgemeinschaften verhindern. Beide Inquisitionssysteme benutzten das öffentliche Schuldbekenntnis des Häretikers als wichtigstes Vehikel zur Zerstörung des häretischen Legitimitätsanspruches, doch waren die Methoden zur Produktion von öffentlichen Schuldbekenntnissen in unterschiedlichen Legitimitätskontexten verankert. Die spanische Inquisition arbeitete im Kontext der zu ihrer Zeit üblichen Rechtsverfahren, während die stalinistische Säuberungsmethodik ihre Geständniserpressung sorgsam hinter der Fassade von kunstvoll arrangierten Schauprozessen zu verbergen versuchte.</jats:p>
Umfang: 175-189
ISSN: 2366-0325
0340-1804
DOI: 10.1515/zfsoz-1987-0302